13. Juni bis 12. Juli 2022
Teil 1
Jürgen und ich wollen uns in Richtung Norden auf den Weg machen und zwar bis dorthin, wo es auf dem Landweg nicht mehr weiter geht. Unser Ziel ist das Nordkap, wenn uns die Umstände und das Wetter wohl gesonnen sind. Regen, Kälte, Nebel und Wind wollen wir in Kauf nehmen, um den nördlichsten Punkt auf der europäischen Landkarte zu erreichen, doch schnee- und eisglatte Straßen und dauerhaft Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt würden uns nicht entgegenkommen. Deshalb sind nicht nur T-Shirts, sondern ist auch warme Unterwäsche in unserem Reisegepäck.
Deutschland von Süd nach Nord zu durchqueren wollen wir ein anderes Mal in Angriff nehmen und Dänemark wollen wir auch nicht erkunden. Deshalb nötigen wir unseren Motorrädern erst mal eine Fahrt nach Süden ab, denn in Innsbruck startet ein Autoreisezug der ÖBB (https://www.nightjet.com/de/angebote/automotorrad/in-deutschland), der uns über Nacht nach Hamburg-Altona bringen wird.
In alten Wagen der DB fahren wir praktisch auf dem Tank liegend – es so niedrig, dass der Helm ständig gegen die Decke und die Verstrebungen schlägt – unser Moped auf den Transportwagen und nehmen in einem 3-Bett Schlafwagenabteil zusammen mit einem italienischen Biker unsere Schlafplätze ein. Ein Piccolo als Gute Nacht Gruß und ein kleines Frühstück am Morgen werden uns vom Schaffner kredenzt und so werden wir am nächsten Morgen im Bahnhof Hamburg-Altona quer durch den Fußgängerbereich mit Polizeieskorte wieder in den Straßenverkehr eingefädelt.
Wie schon gesagt, ist Dänemark nicht auf unserer Route, deshalb fahren wir ca. 100 km rüber nach Kiel, wo die norwegische Color Line Fantasy (https://www.colorline.com/kiel-oslo) Fähre bereits auf uns wartet.
Wir beziehen eine sehr komfortable Innenkabine mit Blick auf die Mall und erwarten eine ruhige Überfahrt, denn es ist stabiles Hochdruckwetter angesagt.
In Oslo angekommen, wollen wir erst mal die Stadt erkunden und machen uns auf eine Rundfahrt, vorbei an den Sehenswürdigkeiten, dem Rathaus (Überreichung der Nobelpreise), dem Nationaltheater, dem Königspalast und dem Botanischen Garten und finden uns in lebhaftem Verkehr wieder. Jedoch am meisten fällt uns die Parkplatznot auf, denn nicht mal für zwei Motorräder finden wir so ohne weiteres einen Parkplatz. Da kommt uns in der Nähe des Starbucks-Cafés auf der Grønland eine offensichtlich nicht besetzte Parkbucht sehr entgegen, ein Park- oder Halteverbotsschild ist weit und breit nicht zu entdecken. Unbedarft stellen wir unsere Boliden ab und genehmigen uns erst mal eine Tasse des guten Getränks. Zurück bei den Bikes findet jeder von uns einen gelben Zettel in der Lasche des Tankdeckels eingeklemmt, auf dem in Norwegisch lang und breit beschrieben ist, was wir ausgefressen haben – unberechtigt in einer Ladebucht geparkt. Das sei nur zu regeln, wenn wir je Fahrzeug binnen 10 Tagen einen Betrag in Höhe von 900,00 Norwegische Kronen (ca. 85,00 EUR) auf ein Konto der Norwegischen Bank überweisen würden. Ärgerlich – aber um unseren Missmut zu bremsen, betrachten wir die Strafe quasi als ‚Eintrittsgeld‘ für Norwegen, was uns bei dem guten Wetter gar nicht so schwer fällt. Es ist dann aber auch der letzte Strafzettel in diesem mit Verkehrsteilnehmern sehr rigiden Land.
Dazu noch ein paar Worte zum Verkehr und Gepflogenheiten der Norweger:
Rigide ist vor allem das Geschwindigkeits-Regime, überall herrscht außerhalb beschlossener Ortschaften die Maximalgeschwindigkeit von 80 km/h innerhalt Ortschaften ist sie meist 50 km/h oder weniger. Sie wird rigoros überwacht und geahndet. Auf großen Straßen und in sehr vielen Tunnels, beispielsweise, werden Abschnittmessungen durchgeführt, d.h. es wird die Durchfahrtszeit gemessen und daraus die Durchschnittsgeschwindigkeit errechnet. Strafzettel sind nicht billig, wie wir schon erfahren haben und sie werden per Post nach Hause zugestellt. Alle größeren Städte verlangen eine Stadtmaut, die nur online bezahlbar ist, ebenso wie die Streckenmaut für Tunnels und Autobahnen. Motorräder sind jedoch zum Glück ausgenommen. Doch je weiter wir nach Norden kommen sehen wir, dass die Kontrollen nachlassen – leichtsinnig werden wir jedoch deshalb nicht – wer weiß?
Unser Hotel in Oslo liegt oberhalb der Stadt und nur ein paar hundert Meter Luftlinie von der berühmten Holmenkollen Sprungschanze entfernt. Natürlich sehen wir uns dieses Monster an – ein wahrlich kühnes Bauwerk, das von der obersten Plattform aus einem grandiosen Ausblick über die Stadt und den Oslofjord gewährt.
Auf unserem Weg nach Stavanger kommen wir an der großen Stabkirche in Heddal vorbei.
Das erste Highlight im norwegischen Theater der Natur soll der Preikestolen (deutsch: Predigtstuhl) sein. Er liegt auf unserem Weg nach Stavanger und da wir mit dem Motorrad nicht direkt bis zur ‚Kanzel‘ vordringen können, haben wir uns vorgenommen ihn von unten, also vom Wasser aus zu fotografieren. Wir nehmen also die Fähre in Lysebotn und fahren auf dem Lysefjord nach Westen.
Auf dem Weg zur Fähre hangeln wir uns in einer steilen Wand in vielen Serpentinen und durch einen langen Kehrentunnel ca. 600 Höhenmeter nach Lysebotn hinunter.
Vor dem Preikestolen hört es natürlich nicht mehr auf zu schütten, so dass wir die eindrucksvolle Felskanzel nicht zu sehen bekommen und nur anhand unseres Navis ahnen können, wann wir sie passieren. Die Fotos aus dem Fahrplan der Fähre geben uns einen Eindruck von der Mächtigkeit und Erhabenheit des riesigen, an die Wand geklebten Felsens. Hier müssen sie aber fehlen.
Stavanger, Norwegens Ölstadt, empfängt uns mit breiten Straßen und immer noch regnerisch. Zum Glück bekommen wir in einem Parkhaus neben dem Hotel einen trockenen Platz für unsere Motorräder für die Nacht. Es ist tatsächlich norwegisch kühl und der Wetterbericht verspricht für die nächsten Tage auch keine Besserung.
Wir lassen uns nicht unterkriegen und machen uns auf den Weg nach Bergen. Zum ersten Mal benutzen wir eine staatliche Fähre, für die ich schon zu Hause ein Benutzerkonto (https://ferrypay.no/) angelegt habe. Deshalb werden auf dem Schiff nur noch die Nummernschilder fotografiert und der Fährpreis irgendwann – meist nach 10-15 Tagen – vom Konto der Kredit- oder Debit-Karte abgezogen. Erstaunt bin ich auch über die Tatsache, dass diese riesigen Schiffe rein elektrisch angetrieben werden. Dafür gibt es an jedem Anlieger eine ‚Stromtankstelle‘, so dass den Schiffen nie der Saft ausgeht.
Bergen empfängt uns – ganz untypisch – zwar mit bedecktem Himmel aber trocken. Doch wir haben nicht vor, uns hier länger als einen Nachmittag und Abend aufzuhalten. Jedoch für ein typisches Abendessen reicht es aber allemal – IKEA-Kunden könnten es wieder erkennen.
Unser Ziel liegt sehr viel weiter im Norden und daher brechen wir am nächsten Tag in Richtung Geiranger Fjord auf. An einem Tag ist das nicht zu schaffen, so erreichen wir zuerst den Aurlandsfjord, wo wir nicht den 24,5 km langen Lærdalstunnelen nehmen, sondern den Sonnenschein bei der Überfahrt über das Aurlandsfjellet genießen.
Wir fahren in etlichen Serpentinen hinauf auf die gut über 1000 m ü.N.N. gelegene Hochebene. Bis zu 2 m hohe Schneewände strahlen immer noch die Kälte des Winters ab, doch die Sonne wärmt den Rücken.
Wir fahren in einer verwunschen Trollgegend, so empfinden wir es jedenfalls.
Entlang des Sognefjords und mit der Fähre hinüber an das andere Ufer des Fjærlandsfjords führt uns die Route ein weiteres Mal bergauf. Dieses Mal erklimmen wir auf einer spektakulären Serpentinenstraße die Höhen des Gaularfjellet.
Unsere nächste Übernachtung wählen wir so, dass wir am nächsten Tag rechtzeitig die Fähre am Geirangerfjord von Hellesylt nach Geiranger bekommen.
Doch auf der Fähre holt uns der Regen wieder ein und begleitet uns für den Rest des Tages.
Die ‚Adlerkurve‘ am Ende des Aufstieges zum Fjell mit einem grandiosen Ausblick auf den Geiranger-Fjord ebenso wie die Trollstigen, eine spektakuläre Abfahrt in einer Steilwand, an der neben der Straße auch zwei mächtige Wasserfälle zu Tal rauschen bleiben vom Regen mehr oder weniger verschluckt und müssen auf den nächsten Besuch warten.
Am Ende des Tages quartieren wir uns in der wohl kleinsten Hütte Norwegens auf einem Bauernhof in der Nähe von Sylte ein. Die Nacht – es ist Mittsommernacht und da kann man nicht wirklich von Nacht sprechen – war kühl aber gemütlich und der nächste Tag schickt uns bei gutem Wetter auf unseren Weg nach Trondheim.
Der Süden hat uns gesehen – wir ihn wegen des Regens nicht so wirklich, aber das Wetter wird viel besser, drum weiterlesen im nächsten Beitrag.
Lieber Paul,
das hast Du sehr detailliert und liebevoll beschrieben! Danke für die Tipps bzgl. Zugreise, Fähren und Pay-Management, aber auch für die ausgewählten Fotos!
Es ist und es bleibt … spannend! ich folge Dir und Euch weiter!
Dirk