Kleine Länder, große Grenzen

Kilometerstand an der Grenze zu Costa Rica: 7925 km

Zu Hause in „Good old Europe“ haben wir nach vielen Diskussionen unserer Politiker die Passkontrollen bei Grenzübertritten praktisch abgeschafft. Nur noch die ‚Alten‘ können sich so richtig erinnern, wie es war, wenn ein Grenzer eines unserer Nachbarländer dachte, hier müssten mal die Ausweise ordentlich kontrolliert werden oder der Zöllner annahm, es wäre vielleicht eine Flasche Rotwein zu viel an Bord. Fast jeder von uns hat eine Geschichten parat und in einem Anflug von Nostalgie werden sie dann auch zum Besten gegeben, meist mit einer Pointe, die den Grenzer alt aussehen lässt.

Hier in Mittelamerika lernten wir, wie es auch sein kann, wenn drei Motorradfahrer an einer Landesgrenze ankommen und ins nächste Land weiter wollen. Eigentlich eine ganz einfache Sache – möchte man meinen…. weit gefehlt!

Lasst mich den Grenzübertritt von Nicaragua nach Costa Rica schildern:

Mit unseren bestens aufgelegten GSen rollen wir in Richtung Grenze. Nebenbei gesagt, sie schnurren, wie kleine Kätzchen und sind alle 1000 bis 1500 km mit ein paar Tropfen Öl zufrieden, sogar schlechter Sprit kann sie nicht beleidigen, sie klingeln dann ein wenig, für uns das Signal, sie beim Überholen und an Steigungen nicht zu hart ran zu nehmen.

Eine sieben Kilometer lange Schlange von LKWs, Stoßstange an Stoßstange, kündigt an, dass wir uns entweder einer Straßenblockade oder der Grenze nähern – diesmal ist es die Grenze.

Für uns Motorradfahrer geht es in gemäßigter Geschwindigkeit an allen vorbei. Dabei sehen wir den ein oder anderen LKW-Fahrer in der Hängematte liegen und schlafen. Er hat sie, weil im Schatten, unter den -Anhänger gehängt und sich so auf eine lange Wartezeit eingerichtet.

Am vorderen Ende der Schlange kommen wir an ein ganz unscheinbares Häuschen auf der rechten Straßenseite, vor dem eine Menge Leute stehen, jeder mit einem Ausweis um den Hals, dazwischen auch ein Grenzpolizist. Wir halten an und steigen ab. Noch bevor wir uns der Helme entledigt haben, bieten sich gleich mehrere als Guía (‚Helfer‘) an. Normalerweise geht das auch ohne, aber dieser Grenzübergang nötigt uns wegen seiner schieren Ausdehnung – wo ist welches Büro? – einigen Respekt ab, daher  nehmen wir uns einen der recht jungen Typen. Er spricht natürlich neben spanisch auch ein wenig englisch – nicht unbedingt nötig für uns, aber hilfreich, wenn’s zwickt.

Der Grenzübertritt beginnt:

Minute – 0 –

Also, zuerst Passkontrolle am Häuschen. Dann vom Pass, Fahrzeugschein und Permiso, das ist die zeitweise Einfuhrgenehmigung für unser Motorrad, je eine Kopie anfertigen, für hier und von Pass, Führerschein und Fahrzeugschein für die Costa Ricaner – brauchen wir später. Wenn man das nicht hier tut, wo es den Laden gibt, wird man vom nächsten Kontrolleur zurück geschickt, kostet Zeit.

Minute – 5 –

Ein paar Meter weiter halten wir wieder und unsere Motorräder werden mit Fungizid, einem Mittel gegen Pilzbefall, unten rum besprüht. Dies ist mit 3 US$ je Motorrad zu bezahlen.

Minute – 15 –

Dann mit den Motorrädern 200 m über den Platz zum Zollgebäude. Davor stehen 3 Busse, ein Mexikaner mit einer Harley und mehrere Autos. Jede Menge zu kontrollieren.

Motorräder abstellen und mit dem Guía zur ‚Inmigración‘. Dort mit den Pässen und den ausgefüllten Migrationsformularen für Nicaragua in die Schlange stellen. Als ich dran komme, Frage: >wo sind die anderen beiden?< >passen auf die Motorräder auf< >ok<. Er nimmt 3 US$ pro Pass ein und stempelt uns aus Nicaragua aus – wir sind nun ordentlich ausgereist.

Minute – 40 –

Nächster Schritt der Zoll: unser Guía sorgt gegen ein Handgeld dafür, dass wir unsere Stempel und Unterschriften trotz Busse und andere Autos auf unsere Permisos bekommen, ohne auch nur einen Zöllner zu Gesicht zu bekommen – spart uns mindestens eine Stunde.

Nun sind auch unsere Motorräder ordentlich aus den vier Vereinigten Staaten von Zentralamerika ausgereist. Um die Grenzübertritte zu vereinfachen haben Guatemala, Honduras, San Salvador und Nicaragua ein Grenzabkommen geschlossen – wir haben es fast nicht bemerkt, ausser, dass wir innerhalb der vier Statten keine weitern Stempel mehr in den Pass bekommen haben.

Minute – 60 –

Wieder 200 m weiter verabschieden wir uns von unserem nicaraguanischen Guía und kommen an die Abfertigungshalle von Costa Rica. Natürlich haben die Guías von hier bereits sondiert, wer da kommt und wollen uns gleich unter ihre Obhut nehmen. Wir sind der Meinung, es diesmal ohne zu schaffen und lassen sie abblitzen.

Auch hier der erste Schritt: ‚Migración‘. Zuerst die Migrationsformulare ausfüllen und dann in einem klimatisierten Raum – welche Wohltat – in die Schlange stellen. Wieder lege ich die drei Pässe vor: >Wo sind die anderen< >bei den Motorrädern< >geh raus, pass du auf die Motorräder auf und schick sie zu mir, brauchen nicht mehr warten<.  Also raus und die beiden zur Gesichtskontrolle schicken, tatsächlich kommen sie sofort dran.

Mittlerweile bin ich an der Grenze wegen meines Namenszugs auf der Jacke schon bekannt. Ein Zöllner feixt „Paul, pero no el pulpo“ (aber nicht der Tintenfisch) – damit meint er den in Lateinamerika bestens bekannten Tintenfisch Paul aus dem Zoo, der die Spielergebnisse während der Fußball Weltmeiserschaft so gut vorausgesagt hat. Ein Medienheld in ganz Lateinamerika!

Minute – 70 –

Nächster Schritt, eine Versicherungspolice kaufen. Das Büro liegt neben der Migración. Als ich hin komme, sagt mir eine freundliche Dame es täte ihr sehr leid, aber im Moment sei der Strom ausgefallen und der Computer ist tot – es geht momentan gar nichts.

Minute – 85 –

Der Strom ist wieder da, ich kann für 12 US$ je eine Police erwerben.

Dann Kopie des Migrationsstempels im Pass und der Police anfertigen. Wieder Schlange stehen am Kopierer, den ein geschäftstüchtiger Puerto Ricaner gleich neben dem Büro aufgestellt hat – verdient nicht schlecht.

Minute -105 –

Mit all den Kopien und den Originaldokumenten an den Zollschalter im gegenüber liegenden Haus. Dort erwartet mich der Zollbeamte von vorhin und händigt mir drei A4 Formulare aus. Mit  den ausgefüllten Blättern kehre ich an den Schalter zurück, wo jetzt eine nette Dame sitzt. Sie beginnt für jedes Fahrzeug die Unterlagen zu sichten, zu kontrollieren, in den Computer einzugeben und uns einen Laufzettel – wichtig für später – zu den Unterlagen zu heften. Am Ende der Prozedur kommt sie aus ihrem Häuschen und kontrolliert anhand der Nummernschilder die Identität der Motorräder. Sie meint, diese wären >sucio< (schmutzig), wie recht sie hat.

Minute – 145 –

Wir sind nun für die nächste Station gerüstet, also rauf auf die Motorräder und quer über den Zollhof, der mit LKWs voll steht. Ganz hinten, unter einem Dach befindet sich ein weiterer Schalter, an dem das Permiso, die zeitweise Einfuhrgenehmigung unserer Motorräder nach Costa Rica erteilt wird.

In Motorradklamotten bei gut 30°C stehe ich mit einigen LKW-Fahrern in der Schlange und erhalte wieder von einer netten Dame ein Permiso nach dem anderen. Alle warten geduldig und fächeln sich mit den bereit gehaltenen Papieren frische Luft zu.

Minute – 190 –

Wir sind nur durch und fahren mit allen nötigen Unterlagen zum Grenzer, der den Laufzettel entgegen nimmt, alles kontrolliert und uns dann freundlich >bienvenido en Costa Rica y bon viaje< wünscht.

Nach gut drei Stunden sind wir wieder auf unserem Weg.

Ganz nebenbei haben wir eine beispielhafte Diebstahlsicherung für Fahrräder entdeckt.

Vielen Dank an Simon, er hat alle Fotos für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.

Den Urwald mit einigen Tieren erleben wir in Costa Rica, das gibt es beim nächsten Mal zu lesen.

11 Antworten auf „Kleine Länder, große Grenzen“

  1. Lieber Paul und Kollegen,
    leider war meine mailbox eine zeitlang nicht zugänglich, somit möchte ich Dich/Euch umso herzlicher aus einem Bayern im tiefsten Winter mit bis zu 17 Grad minus grüßen. Ich frag mich immer wieder, wie ihr das Abenteuer Reisen und Bericherstattung unter einen Hut bringt. Schlafen wird scheinbar nur nebenbei erledigt. Deine Berichte sind so detailiert und lebhaft, dass man nach kurzer Zeit fast dabei ist. Es feut mich und ich hoffe, dass ihr alle bei bester Gesundheit seid und lasst nicht locker, die Daheimgebliebenen mit diesen tollen Berichten weiter zu versorgen!
    Alles Gute und „Hals und Beinbruch“ weiterhin
    Josef

  2. Hohoho….ich wünsche euch einen schönen NIKOLAUStag!!!

    Großes Lob an den „Schreiber“. Es ist echt sehr schön, die Reiseberichte zu lesen.. Freu mich jedesmal wenn´s neue „Geschichten“ gibt.

    Also GUTE FAHRT

    d´Susn aus Kronwieden 🙂

  3. Hallo Ihr Drei,

    Happy Nikolaus und trinkt zusammen ein kühles Bier. Eure Fotos und die Berichte verzaubern uns immer wieder den Alltag und lassen uns von Abenteuern träumen.

    Liebe Grüße aus dem bayrischen LA

    Kati

  4. Hallo!
    Da muss ich mich bei der nächsten Einreise nach Schweden nicht beschweren, wenn ich über einen Stunde in der Schlange von der Fähre aus Deutschland stehen muss, um eine Pass- und vor allem eine Alkoholkontrolle über mich ergehen lassen zu müssen.

    Aus dem weissen Wintermärchen…
    Schöne Grüsse
    Thomas

  5. hallo zusammen….wir packen gerade 140 pralinenschachteln…und kati unterstützt uns….liebe grüße an euch alle von inge..kati..und olaf

  6. Hallo Ihr 3,
    1., die Berichte sind super, man fühlt sich fast wie selber dabei
    2., die Fotos machen einfach nur neidisch und hungrig auf diese Reise
    3., wir wünschen Euch eine schöne Adventszeit, muß doch interessant sein, wie die verschiedenen Länder das Thema Weihnachten angehen, oder?
    4., Mich, denk bei dem ganzen Abenteuer an den 50.ten vom Killer!! Wir werden auf alle Fälle auf Dich und Euch ein Glaserl heben.

    Euch weiterhin alles Gute, viel Glück, gute Fahrt und viele positive Erlebnisse.

    Gruß Robert mit Margot und den Jungs

  7. Hallo Ihr 3,
    die Info´s von euch bringen uns richtig zum schmunzeln.
    Habt noch ganz viel Spaß und noch eine gute Reise.

    Ganz liebe Grüße von Hansi, Alex und 3 x MMMMMMMMMMM
    P.S.: Was ihr an Sonne habt können wir mit weißen Schnee gegenhalten.

  8. lieber paul,

    ich bin begeistert von deiner reisebeschreibung und auch die bilder von mexico, palenque usw. haben mich sehr erfreut, da ich ja vor vielen jahren da auch schobn rumgeklettert bin. es freut mich, dass es euch gut geht und ihr auch eure reise geniesst. bei uns schneits schon wieder, in augsburg, wo wir gerade fuer ein paar tage sind.
    weiterhin guten reiseverlauf und keine pannen.
    dir lieber paul alles gute zum geburtstag, wir werden ein glas schampus auf dich trinken.schoene gruesse sonny und hermann

  9. Prosit Neujahr für 2011,mein lieber Paul!!Weiterhin gute Fahrt und beste Erlebnisse auf den nächsten paar 1000en Kilometern.Ich denke oft an Dich.Liebe Grüße von Marianne und mir

  10. hallo mein lieber Paul,bei uns hat gerade Dreikönig begonnen!Du bist weiter gut unterwegs,ich freue mich über jeden erfüllten Tag,den Du erleben darfst.neben Naturschönheiten,Sehenswürdigkeiten ist wohl das menschliche Moment am bereicherndsten,zudem Du bzgl.Kommunikation ja ein Meister bist.Weiterhin alles,alles Gute Dein Freund Axel,lb Grüße auch von Marianne

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