Fiestas am Titicacasee

Die Leute am Titicacasee haben große Freude am Feiern von Festen. Da unterscheiden sie sich nicht besonders von den Bayern. Dies trifft das ganze Jahr zu, besonders aber Anfang des Jahres häufen sich die wirklich großen Fiestas.

Grenzübergreifend habe ich das Glück, eher zufällig mitten in zwei Fiestas zu geraten. Das eine findet in Puno/Peru statt, das andere am nächsten Tag in Copacabana/Bolivien.

Zuerst zur Fiesta in Puno.

Früh morgens weckten mich um sechs Uhr die unvermeidlichen Böller. In Lateinamerika sind sie das ganze Jahr über zu hören und werden nicht nur von autorisierten Personen abgeschossen. Ordentliche Böllerschläge kündigen an, dass heute eine allgemeine Fiesta stattfindet. Für mich nicht schwer zu erraten, denn das Plakat hängt in der Eingangstür zum Hotel.

Es ist die große Parade zu Ehren der ‚Virgen de la Candelaria‘, bei uns Lichtmess. Puno will nicht mit anderen Orten in Konflikt kommen, daher die Parade schon im Januar, obwohl Lichtmess, wie die Dienstboten wissen, am 2.Februar ist.

Zu diesem Zweck wird die Figur der Jungfrau Maria unter einem Baldachin vor der Kathedrale aufgestellt, sie überblickt so eine breite Strasse, die von Schaulustigen gesäumt wird.

Um elf Uhr formieren sich schon am Rand der Altstadt die Vereine und Tanzgruppen mit ihren Blaskapellen und beginnen von dort durch die ganze Stadt zu tanzen, bis sie vor die Heiligenstatue kommen, wo sie für kurze Zeit Aufstellung nehmen und der Jungfrau einen Tanz mit starken Rhythmen und lauter Musik darbieten.

Zwischendurch wird der Präsident des vorbeiziehenden Clubs von einer schönen Reporterin des Fernsehens interviewt und schon geht es wieder weiter.

Eine von mir ungezählte Anzahl von Gruppen tanzen durch die Stadt. Alle tragen das Oufit ihres Vereins, ihres Viertels, ihrer Gruppe oder ihres Dorfes. Junge wie Alte  nehmen die Sache auf südamerikanisch ernst  – mal herrscht Ordnung in der Riege, dann geht es einfach durcheinander – sei’s drum. Jeder Vortänzer ist mit einer Trillerpfeife, einem ‚Instrument‘ das man von den Polizisten kennt, ausgestattet und versucht durch lautstarken Einsatz Ordnung in die Formationen zu bekommen. Meistens klappt es.

Nebenbei ist der Sponsor der Veranstaltung nicht zu übersehen, es Cusceña, die größte Brauerei in Peru.

Die Ausdauer, mir alle Gruppen anzusehen habe ich nicht. Nach zwei Stunden gehe ich ins nahegelegene Hotel und kehre nach Einbruch der Dunkelheit wieder.

Erst nach acht Uhr – nach fast neunstündigen Musik- und Tanzmarathon zieht die letzte Gruppe vorbei, die Virgen wird von vier starken Männern auf die Schulter genommen und in die Kirche zurück gebracht.

Ein phänomenales Fest.

Einen Tag später ein ganz anderes Fest, ich komme aus Puno über die Grenze – ein Rekord von 40 Minuten wird in Zukunft das Maß der Dinge. Kaum bin ich angekommen, schon bin ich mitten in der Fiesta. Hier wird unter großer Anteilnahme von Leuten aus dem ganzen Land, das Fest ‚Alasitas‘ gefeiert. Dieses Fest hat ihren Ursprung in der Aymara Kultur und wurde, wie so viele heidnische Feste, von der Kirche ‚adoptiert‘. Am Fuß des Doppelberges, von denen der höhere der ‚Cero Calvario‘ ist, steht eine Wallfahrtskirche mit einer schwarzen Madonna. Auf den Berg, der sich knappe 200 m aus der Umgebung von 3.800 m erhebt ist ein Kreuzweg aufgebaut, dessen letzte Stationen auf dem Gipfel des besagten Calvario stehen. Ihn zu besteigen ist selbst für jemanden, der an die Höhe angepasst ist keine Kleinigkeit.

Zu diesem Fest kommen  Autofahrer mit blumengeschmückten Fahrzeugen und lassen sie vom Priester der Wallfahrtskirche segnen.

Viele  Leute gehen auch auf den Berg, kaufen sich bei den Marketenderinnen Miniaturausführungen ihrer sehnlichsten Wünsche, wie Stapel von Spielgeld, ein Haus mit Garten, 4×4 Autos usw. und bringen die ebenfalls in die Wallfahrtskirche. Andere habe ich beobachtet, wie sie die kleinen Gegenstände an eigens dafür hergerichteten Feuerstellen auf dem Gipfel verbrennen und den Rauch gegen Himmel schicken.

Die Fiesta scheint jedem seine Möglichkeiten zu geben, sich mit dem Außerirdischen zu verständigen und (!) mit den Verwandten und Freunden. Denn es ist auch ein Fest der Gelage, es wird viel gemeinsam gegessen und getrunken. Überall sitzen Familien beisammen, essen und trinken und sind fröhlich.

Ein entspanntes Fest mit allen Sinnen.

Ein wunderbarer Blick über die Bucht von Copacabana entschädigt für die davor auf sich genommene Strapaze des steilen Anstiegs des Calvarienberges  und obwohl beide Feste auch Regen sahen, hat es die Leute nicht im geringsten davon abgehalten, ihre Fiesta zu feiern, in Peru wie in Bolivien.

Einen Tag durch die Einsamkeit der Berge im Süden Boliviens wird die nächste Geschichte erzählen und zeigen.

2 Antworten auf „Fiestas am Titicacasee“

  1. Hallo Paul,
    habe mich gerade von deinen wunderschönen Bildern und den tollen Berichten etwas aus meiner mometanen hektischen Realität geschlichen und mich vom Fernweh treiben lassen.
    Liebe Grüße und weiterhin ganz besondere Eindrücke.
    Lutschi

  2. Lieber Paul,wieder einmal kurz nach Mitternacht Grüße aus OLd-Germany!Nach Deinem spannenden Bericht aus dem bolivianischen Hinterland kann ich gut mitfühlen bzgl.NBenzinnöte ,wir haben das damals auch in der Pampa in Argentinien erlebt und waren auf Gedeih und Verderb den Leuten vor Ort ausgeliefert.Da hält man schon den Atem an.Aber wie meist ist es ja gut ausgegangen!!!Nun haben wir übrigens schon Februar-und bis zum Frühjahr in unseren Landen wirst Du ja zurückkehren.Grüße mir Chile,an das ich auch beste Erinnerungen habe.Alles Gute weiterhin Dein Freund Axel

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