Gibt es eigentlich Sprit im bolivianischen Hinterland?

Kilometerstand in Sucre: 16984 km

Nach ein paar Tagen in der Hauptstadt mache ich mich auf den Weg die Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten im Süden von Bolivien anzusteuern. Das sind die Städte Sucre und Potosí sowie der größte Salzsee der Welt, der Salar de Uyuni. Alle die Orte sind ein wenig vom Schuss und so muss ich mich entscheiden, wie ich die Route lege, ohne Strecken zwei mal fahren zu müssen.

Die erste Nacht verbringe ich in einer Thermenanlage mit angeschlossenem Hostal, den ‚Termas de Obrajes‘. Der Komplex liegt in der Nähe von Oruro, befindet sich allein auf weiter Flur, ist fünf Kilometer von der Hauptstrasse entfernt und nur über eine Sandstrasse zu erreichen. Durch einen Blog eines anderen Motorradfahrers bin ich darauf aufmerksam geworden – ein guter Tipp, verglichen mit einem Hotel in Oruro, mitten in einer trostlosen Stadt.

Um die Städte Sucre und Potosí mit dem Salar de Uyuni zu verbinden ist es am schlausten, von Oruro nach Sucre und über Potosí nach Uyuni zu fahren, dann kann ich mich dort entscheiden, ob ich nach Argentinien oder Chile fahren werde – so die Überlegung.

Also mache ich mich von Oruro auf, in Richtung Sucre. Vor mir liegt eine Strecke, mit gut 300 km, von denen ca. 200 km auf Sandstrassen zu fahren sind, so meine Annahme als ich die Planung mit den elektronischen Karten mache. Mein Navi ist mit der OSM (Open Street Map, ein Karten-Wikipedia) bestückt, denn von Garmin selbst gibt es keine Karten für diese Gegend der Erde – offensichtlich zu wenig kommerzieller Anreiz. Aber auch auf der Papierkarte ist für die Strecke keine Entfernung angegeben, also ist für die Strecke eine genaue Navigation nicht möglich, die Entfernung ist eine gute Schätzung und orientiert sich an den Aussagen der Einheimischen, die allerdings keine Kilometer, sonder die Fahrzeit in Stunden kennen. Das wiederum kann mit Motorradfahrzeiten auch nicht unbedingt verglichen werden.

Ich tanke meine Perla Negra in Oruro nochmal randvoll und mache mich auf den Weg nach Süden. Bis Huanuni, einer Bergwerksstadt läuft es auf einer wunderbaren Teerstrasse – ich hab gerade mal 100 km hinter mir.

Der Abzweig nach Sucre ist auf den ersten Blick nicht zu finden und so mache ich eine kleine Stadtrundfahrt, bis ich an der Schule vorbei komme und man mir den Weg eindeutig beschreibt.

Gleich am Ortseingang geht es steil bergauf und am Ortsausgang ist es mit der geteerten Strasse endgültig vorbei. In mehreren Serpentinen gewinne ich schnell an Höhe und hab nach knapp zehn Minuten einen wunderbaren Blick über Huanuni.

Kaum biege ich aber um eine Kurve, bin ich auf dem Altiplano unterwegs. Die Strasse führt auf einer abenteuerlich in den steilen Hang gehauenen Strasse auf den nächsten Pass. Viele Kurven und bisweilen eine recht ruppige  Fahrbahn machen das Vorwärtskommen nicht wirklich schnell und Risiko ist hier nicht angesagt.

Die Landschaft jedoch ist atemberaubend. Die Felsen schimmern in allen erdenklichen Farben, auch schwarz ist wieder dabei, hier liegt die Steinkohle an der Oberfläche und auch die Strasse hat plötzlich für ein paar hundert Meter eine schwarze Oberfläche.

Nachdem ich den ersten Pass (4.560 m) überquert habe, komme ich wieder auf ’normale Höhe‘ von 3.300 m -3.400 m. Kilometer um Kilometer fahre ich in baumloser Gegend, nur noch Matten und das typische Büschelgras stellt die mich umgebende Vegetation dar. Mittendurch zieht sich das graubraune Band meiner Strasse. Hin und wieder begegne ich Hirten, die Ihre Llamas und Alpacas weiden lassen, andere haben Schafe oder Ziegen und immer sind Hunde dabei, die manchmal den Motorradfahrer als für die Herde gefährlich einschätzen und ihn aus dem Hinterhalt attackieren. Bisher hat es keiner bis an meine Wade geschafft.

So geht es Stunde um Stunde – Pass rauf, wieder runter, auf kurvenreicher Strecke verfließt ein Kilometer nach dem anderen.

Immer wieder komme ich durch kleine Ortschaften, bei denen es nicht klar ist, wo die Strasse nach Sucre den Ort verlässt – also fragen. Immer bekomme ich eine freundliche Antwort, obwohl ich hier sicher aussehe, wie ein Alien von einem anderen Stern.

In Comunidad Khara Khara verabschiedet mich ein Torbogen mit „Veliz Viaje – Sucre 110 km“. Auf meinem Tacho stehen 240 km seit dem letzten Tanken. Der Sprit reicht auf keinen Fall – also ich muss unterwegs tanken – aber wo? Von da an frage ich in jeder Ortschaft, ob jemand Sprit verkauft, aber immer Fehlanzeige. Bei 264 km muss ich in ‚the middle of nowhere‘ auf Reserve umschalten – nach Aussagen von Mich sind jetzt noch ca. 40 km drin, selbst hab ich das noch nicht ausgelitert. Ab sofort  schalte ich bei Abfahrten auf ‚range extender‘, auf gut deutsch den Motor aus und lasse die Maschine den Berg hinunter rollen. Das bringt auf dieser Strecke ca. 10 km. Aber irgendwann ist dann doch Schluss. Den Reservekanister möchte ich nur im allergrößten Notfall einsetzen. In einer Ortschaft (km 285 auf meinem Tanktacho) sagt mir ein Mann über den Zaun, dass in der nächsten Ortschaft Sprit zu haben ist – ca. 20 km seien es, sagt er auf meine Frage. Die Angabe war nicht mal schlecht, denn tatsächlich komme ich im nächsten Ort an wo auch von Einheimischen eindeutig auf eine ‚Tankstelle‘ verwiesen wird.

Am Ortsausgang zapft mir der Verkäufer von einem 100 l Fass 5 l ab, verlangt 25 Bol, ca. 70 US Cent pro Liter – eigentlich nur ein kleiner ‚Wüstenzuschlag‘, denn sonst kostet der Liter ca. 50 US Cent.

Ich war froh, wieder Sprit im Tank zu haben und fahre nun mit ein wenig höherer Schlagzahl wieder los. Der Tankwart sagte mir es seien noch knapp eine Stunde nach Sucre und es ist schon halb sechs. Die Sonne geht schön langsam unter,  mein Schatten wird immer länger, die Steine auf der Strasse sind nicht mehr zu sehen, da sie ihre Schatten in Fahrtrichtung werfen. Sie werden erst sichtbar, wenn man fast von oben drauf schauen kann, dann ist ihr Schatten auch zu sehen. Irgendwann schaltet das Navi auf Nachtmodus, dann beginnt die kurze Phase der blauen Stunde. Doch unausweichlich wird es Nacht.

Nur noch mit ein paar LKWs, die Leute transportieren und einigen Pick-ups bin ich unterwegs. Das Tempo muss ich stark reduzieren, denn ich kann nur auf Sicht fahren. Zum Glück haben wir in Panama noch die Lampe gegen eine bessere gewechselt  – das Licht ist relativ gut. Seit dem Tanken fahre ich auf einer Baustelle. Die Strasse  wird breiter gemacht und ist in einem grauenhaften Zustand. Z. T. sind Schlammlöcher da, die ich im Regen nicht passieren könnte, jetzt sind sie fast trocken und ich fahre in den Spuren der LKWs und Autos. Die Wasserdurchfahrten sind leicht zu meistern, auch im Dunklen, nur eine ist ein breites Loch voller Wasser und ich nehme allen Mut zusammen und fahre in der Spur der Anderen durch. Ziemlich tief, aber kein Problem. Am Ende der Fahrstrecke hat ein Wasserwagen die Strasse gespritzt. Hilft gegen der Staub, macht aber die Fahrbahn rutschig. Alles Hindernisse, die in der Nacht alles andere, als willkommen sind.

Nach gut einer Stunde komme ich an eine Bergkante und sehe die Lichter von Sucre vor mir – (fast) geschafft. Es folgt ein kurzer Abstieg und die Fahrt zum Plaza Mayor, dem Hauptplatz, den jede südamerikanische Stadt hat. Kaum halte ich mein Motorrad gegen 20:15 Uhr an, spricht mich ein junger Mann an. Neben allen Fragen nach dem woher und wohin, die ich zu beantworten habe, gibt er mir einen guten Tipp für ein Hotel in der Nähe.

Statt der geschätzten 300 km waren es 376 und davon ca. 270 km auf Sandstrasse.

Ein langer Tag, es war wirklich schön, lang, anstrengend …. und spannend.

5 Antworten auf „Gibt es eigentlich Sprit im bolivianischen Hinterland?“

  1. Saustark!
    Spätestens auf dieser Wertungsprüfung wäre ich gerne dabei gewesen!!

    Einen 130er TKC80 habe ich noch im Keller, den montieren wir dann für die nächste Rallye…

  2. Hallo Paul,
    jetzt werden die Abenteuer gigantisch.
    Insbesondere die „normale“ Höhe von 3000+ Meter ist echt beeindruckend. Super – ich wäre gerne dabei.
    Eine Frage, um deinen Pulsschlag zu erahnen: Wieviel Sprit hast Du im Reserverkanister?
    Weiterhin viel Glück
    Michael

  3. Lieber Paul,
    wieder einmal habe ich Deine Reisenotizen und die wunderbaren Fotos genossen. Auf meiner Lieblingskaffetasse, die mir einer meiner Trainer aus Peru mitgebracht hat, und die gerade gefüllt vor mir steht, sind die Nasca-Linien Hauptmotiv, offensichtlich dort ein Souvenir-Renner. Nun hatte ich eben dieselben Linien, von Dir fotografiert, auf meinem Bildschirm. Wie witzig !
    Schön, dass Du und Deine „Perla“ noch gesund und fitt unterwegs seid, bitte darauf achten, dass das auch weiterhin so bleibt !
    Neben der touristischen Glanzseite der jeweiligen Landesmedaille, die Du trefflich zu dokumentieren verstehst, würde mich persönlich auch die „andere Seite der Medaille“ interessieren. Feiern die Leute auf Deinem Weg tatsächlich dauernd spektakuläre Fest ? Ist die grandiose Natur tatsächlich „unberührt“ und heil ?
    Dein Blick auf die Dinge scheint offensichtlich vom Positiven Denken her gerichtet, und ich hoffe, Du kannst dies beibehalten und genießen, ohne dass Du die Seite der menschlichen Not der Bevölkerungen, die Unvernunft und Kurzsichtigkeit der Politischen Führungen und der oft offensichtlichen Umweltvergewaltigungen aus den Augen verlierst.
    Es würde sicher Bücher füllen, würdest Du alle Deine Eindrücke und Gedanken auf Deinem Weg dokumentieren. Ich weiß, das geht nicht, es kann immer nur ein kurzer und an den Erwartungen Deiner Leser orientierter Kurzeindruck sein. Das allerdings gelingt Dir immer wieder mit Bravour, und mein Respekt gilt dieser kleinen Kunst, die Du beherrschst.
    Ich freue mich auf die nächsten Etappen, die mir weiterhin den schrecklichen Winter hier daheim ein wenig verkürzen werden.
    Ganz liebe Grüße und weiterhin gute Fahrt und gutes Gelingen.
    Uli S.

  4. Lieber Paul,
    wir verfolgen nun seit Wochen, ja Monaten, mit Begeisterung und Fernweh Deine Reiseberichte. Wir wünschen Dir für Deine weitere Route alles alles Gute. Paß gut auf Dich auf und noch viel Vergnügen! Saludos cordiales, Claudia y Alberto

  5. Hallo Paul,
    das wird ja immer abenteuerlicher auf Deiner Fahrt. Was hättest Du denn gemacht, wenn das Benzin wirklich ausgegangen und auch der Reservekanisterinhalt schon aufgebraucht gewesen wäre? Ich habe richtig mit Dir mitgefiebert. Hast Du Dich schon entschieden, ob Du nach Chile oder Argentinien weiterfährst? Auf alle Fälle wünsche ich Dir weiterhin gute Fahrt und bis bald,
    Marianne

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