1. Februar, der 100. Tag

Kilometerstand: Uyuni 17362 km

Heute ist mein 100. Tag auf der Reise! ein ganz normaler Reisetag.

Es steht die Etappe von Potosí nach Uyuni an.

Mein Motorrad steht im Eingang des Hotels, genau gegenüber der Rezeption. Um es dort hin zu bekommen, musste ich einen hohen Randstein und eine ebenso hohe Schwelle überwinden – aber Sicherheit geht vor.

Nach einem etwas kargen Frühstück – es ist im Zimmerpreis von 17 US$ mit drin – packe ich meine ‚Perla Negra‘ und verabschiede mich von den freundlichen Leuten in der Rezeption. Ich dirigiere mein Motorrad auf die Einbahnstrasse vor der Hoteltüre und kaum bin ich auf der Strasse stehe ich in einem Stau. Ein Fahrer eines vor mir stehenden Autos kommt auf mich zu und drängt mich zum Umdrehen, da der Hauptplatz vor uns blockiert sei. Also drehe ich in der Einbahnstrasse um und fahre sie in falscher Richtung bis zum nächsten Abzweig. Noch ein Versuch in Richtung Zentrum, das selbe Spiel wieder. Erst als ich mich entschließe, den großen Umweg über die Periferie zu nehmen, komme ich aus der Stadt. Tankstelle auf der Ausfallstrasse nach Potosí – Fehlanzeige. Ich drehe um und fahre die Strasse in Richtung La Paz, wo ich ungefähr eineinhalb Kilometer ausserhalb der Stadt eine ‚Gasolinera‘ finde. Mit vollem Tank geht es dann auf die Strecke, es liegen gut 200 km vor mir. Auf einer wunderbar geteerten Strasse geht es in die Wildnis. Mein Motorrad schnurrt einen Kilometer nach dem anderen herunter. Nach etwa der Hälfte der Strecke komme ich in ein Dorf, in dem mit der Einfahrt die Teerstrasse zu Ende ist. Eine mit Katzenköpfen gepflasterte Strasse führt durch das Dorf, die Leute sehen sich den ‚Ausserirdischen‘ genau an und verfolgen ihn mit ihren Blicken, bis er hinter dem letzten Haus wieder in die Wildnis verschwindet.

Die holt mich mit einer zu durchfahrenden Furt – das Wasser ist klar und zum Glück nur 20 cm tief – ab und bringt mich auf den Weg nach Uyuni. Was jetzt folgt, ist die Vorübung auf die nächsten Tage, denn auf der vor mir liegende Strasse wird gearbeitet. Um Brücken bauen zu können, leitet man den Verkehr durch eine Furt und wo gerade gebaut wird, hat der Regen die Baustelle auf 300 m in ein Schlammloch verwandelt. Die Bauarbeiter unterbrechen ihre Arbeit und sehen gespannt zu, wie der Alien auf dem Motorrad das wohl meistern wird – Aliens geben sich keine Bloße – zum Glück läuft alles gut.

Kaum ist diese ‚Prüfung‘ vorbei laufe auf zwei am Strassenrand stehende Biker auf. Es sind Steen und Kent, zwei Dänen, Steen aus Åhus  und Kent aus Grönland. Habt ihr schon mal einem echten Grönländer die Hand geschüttelt? Natürlich unterhalten wir uns und wünschen uns alles Gute – Kent ist nach Patagonien unterwegs, mal sehen, ob wir uns auf seinem Rückweg nochmals treffen.

Kaum haben wir uns verabschiedet, ich stehe auf einer Anhöhe, um Fotos zu machen, höre ich den typischen Ton einer BMW hinter mir. ‚Vor Deutschen bist du nirgends sicher‘ höre ich neben mir sagen. Es ist Ralf, der auf einer R 1150 GS unterwegs ist, neben ihm hält ein zweiter Fahrer, es ist Dieter, auf einer F 800 GS, ’30 Jahre GS‘. Wir beschließen, den Weg nach Uyuni gemeinsam zu fahren – am Ende haben sie auch noch die Empfehlung für das gleiche Hotel wie ich im Tankrucksack – so fahren wir bis an unser Tagesziel gemeinsam. Dieter und Ralf sind Vater und Sohn, sie trennen 21 Jahre, Dieter ist 71! und beide fahren wie die Teufel – großen Respekt!

Wir erreichen Uyuni am frühen Nachmittag bei bedecktem Himmel und hinter uns grollt ein Gewitter in den Bergen.

Neben dem Salar, der gerade, weil Regenzeit ist, unter Wasser steht, gibt es einen ‚Friedhof der Züge‘. Den schauen wir uns sofort noch an, bevor wir die Motorräder in den Hotelhof stellen. Wir folgen direkt den Eisenbahnschienen, nehmen den Abzweig an der richtigen Weiche und kommen daher natürlich richtig an. Ein bizarrer Anblick – da rosten alte Dampflocks und Wagons so vor sich hin, sind Spielplatz für die Halbwüchsigen des Dorfes und zugleich Museum, für das Eisenbahnfreunde bei uns viel geben würden.

Bevor wir von einem Gewitter mit heftigem Regen erwischt werden kehren wir in unser Hotel zurück und schmieden die Pläne für morgen.

So ganz normal war der Tag nun auch nicht – aber was ist schon normal auf so einer Reise?

Über die ‚Königs-Etappe‘ im nächsten Blog.

6 Antworten auf „1. Februar, der 100. Tag“

  1. Hallo Paul,
    jetzt bin ich schon ganz gespannt auf deine „Königsetappe“.
    Wenn ich so über deine letzten Tage lese, dann ist ja eigentlich kaum noch eine Steigerung möglich.
    Mit dem Sprit hatte ich ja auch schon so ein Erlebnis, aber harmlos, weil in den Alpen – mit vielen möglichen Helfern – und nicht in der Einsamkeit der Anden.
    Also weiter viel Glück und alles Gute für Dich und deine Perla Negra. Haltet für die nächsten 100 Tage die Ohren steif…
    Viel Spaß Gerhard

  2. Hallo Paul,
    das liest sich ja alles überaus spannend. Ich beneide Dich um dieses aufregende Abenteuer.
    Genieße weiterhin jede Minute, koste die Zeit in vollen Zügen und komme gesund und wohlbehalten zurück.

    Viele Grüße
    Rainer

  3. Hallo Paul, es freut mich dass es dir gut geht und du gut vorankommst. Weiterhin unfallfreie Fahrt und gute Rückkehr.
    Ludwig

  4. Hallo Paul!
    Vielen Dank für die tollen Bilder. Nach den ersten 100 Tagen steuerst Du jetzt die 200er Zone an. Bitte komm aber auch wieder mal nach Hause.
    Liebe Grüße von Elisabeth und Georg

  5. Hallo Paul, die ersten 100 Tage sind ja immer wichtig- sagt man…
    Wir freuen uns über Dein Wohlbefinden und wünschen Dir noch eine unfallfreie und spannenden Zeit.
    Übrigens: Bolivien / Peru soll unser Ziel für Dezember 2011 werden, also viele gute Info’s einpacken.
    Grüße von The Adam’s

  6. Hallo Paul,
    vielen Dank für Deine spannenden Reiseberichte, die ich aufmerksam und mit großem Interesse verfolge. Das liest sich besser als mancher Roman. Sicherlich wirst Du viele Geschichten zu erzählen haben, wenn der OSC das nächste Mal mit Dir zusammenkommt.
    Bleib gesund und pass auf Dich auf!

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