Ein langer Ritt

Kilometerstand: 26.797 km

 

Mit einem Satz neuer Reifen verabschieden wir uns von Calgary und gehen die vor uns liegende Strecke bis Toronto an. Wie immer folgen wir kleineren Strassen und stoßen schon nach ein paar hundert Kilometern auf den Dinosaur Provincal Park. Weniger die urzeitlichen Tiere oder deren versteinerte Knochen interessieren uns hier besonders, es ist vielmehr die Fortsetzung der Badlands, die wir in South Dakota wegen Regens unbeachtet lassen mussten.

Die Landschaft wurde hier durch den Bodenaufbau und die Erosion auf ganz besondere Art geformt. Ein Fluss hat eine Landschaft geschaffen, die  er über die vielen Jahrtausende in den Boden gefräst hat.

Einen kleinen Umweg nehmen wir dafür schon in Kauf und auch an der Farm mit der Schlinge kommen wir wohlbehalten vorbei.

Die Städte, in denen wir auf unserem Weg durch die Prärie übernachten, haben alle nicht sehr viel Aufregendes zu bieten. Viele von ihnen wurden beim Bau der ‚Canadian Pacific Railway‘ Ende des 19. Jahrhunderts gegründet. Über Medicine Hat – es liegt schon in Alberta – kann man aber sagen, dass bei der Bohrung nach Wasser ein riesiges Erdgasvorkommen entdeckt wurde.

Heute noch werden die  Straßenlaternen in den drei Straßenzügen der Altstadt mit Gas betrieben; somit haben wir ein kleines High’Light‘ mitten in der Prärie.

… ach ja, und da war auch noch das weltgrößte Tipi.

Wir fahren durch welliges, weites Land. Kein Strauch oder Baum und schon gar nicht ein Hügel oder Berg verstellt die Sicht.

Grasland soweit das Auge reicht.

Hin und wieder kommt uns auf der ‚Canadian Pacific Railway‘, die uns über tausende Kilometer begleitet, ein Zug entgegen.

So alle knapp 100 Kilometer stoßen wir auf eine Ansiedlung, in deren Nähe sich statt Wiesen, Felder an den Straßenrand schmiegen.

Dann ist statt Gras eben Weizen, Gerste, Hafer oder Raps – er ist gerade am verblühen – zu sehen.

Kaum sind wir aber wieder mehr als zehn Minuten von der Ansiedlung entfernt, übernimmt Grasland wieder das Blickfeld. Entlang der Straße laufen auf beiden Seiten Zäune, aber nur selten sind Rinder im hüfthohen Braun-Grün auszumachen. Leeres Land, so scheint es.

Von weitem können wir zusehen, wie sich Regenschauer in der Ferne entwickeln, wie sich aus schneeweißen Wolken Türme bilden, die an ihrer Unterseite langsam dunkel zu werden beginnen.

Viele Kilometer entfernt entstehen danach die ersten dunklen Streifen von der Wolke zur Erde. Das spielt sich in einer Entfernung ab, die wir gar nicht so recht schätzen können und wir fahren daneben her.

 

Wir haben den Eindruck wir könnten dem Geschehen ausweichen, indem wir einfach schneller fahren als die Wolken ziehen. Doch die Windrichtung ist vom fahrenden Motorrad aus nicht immer genau einzuschätzen und so werden wir einmal von einem Schauer regelrecht von der Seite „gestellt“.

Wir spüren dabei mit welcher Gewalt des Regen über das Land fegt, wie er die Straße in Minuten zu Bächen macht. Wir drehen einfach um und fahren ein paar Kilometer zurück, woher wir gekommen sind –  nach wenigen Kilometern ist die Straße trocken. Einige Minuten warten wir am Straßenrand und beobachten das Unwetter aus sicherer Entfernung, danach können wir ungestört und trocken in die nächste Stadt fahren.

Wir halten nur einmal in Saskatchewan, das sich auf den Nummernschildern der Autos mit dem Spruch ‚Land of living Skys‘ beschreibt. Wir haben erlebt wie lebhaft der Himmel werden kann – wir haben den Eindruck, dass sich die einzig echte Abwechslung am Himmel abspielt.

Weiter geht es auf dem Weg nach Osten – 90° auf dem Kompass.

Auf etwa halber Strecke in der Prärie kommt uns eine echte Großstadt in den Weg, Winnipeg, die Hauptstadt von Manitoba. Sie ist mit fast 700.000 Einwohnern für diese Gegend sehr groß und sie ist die einzige in Kanada im Umkreis von mehr als 1.000 Kilometern. Kanada ist eben groß und auch fast leer.

Der Wandel der Zeiten ist in dieser Stadt, wie fast in allen kanadischen Städten gut zu sehen. Beim Spaziergang durch die Innenstadt sehen wir sehr altes Gemäuer neben ganz modernen und neuen Bauten.

In San Bonifaz, dem ‚French Quarter‘ wurde gar der begonnene Dom bisher nicht fertig gestellt.

Die alten Werbebeschriftungen an den Häuserfronten sind noch nicht ganz verwittert und erzählen von Unternehmen alter Tage.

In der Stadt beginnt an dem Wochenende gerade die Folklorama, eine zur Tradition gewordene zweiwöchige Veranstaltung, in deren Verlauf alle in der Stadt vertretenen Ethnien einen Abend mit Musik, Tanz, Essen und Trinken veranstalten und alle Mitbürger und Gäste eingeladen, dabei zu sein.

Im Park ‚The Fork‘, im Zentrum der Stadt, wo der ‚Assiniboin River‘ und der ‚Red River‘ zusammen fließen, findet das ‚Kick off Festival‘ der Folklorama statt.

Natürlich gehen wir hin und sind schnell Teil des bunten Völkchens, das sich um die Freilichtbühne versammelt hat und mit Musik und Tänzen unterhalten wird, dabei aber nicht still halten kann und selbst tanzt und singt.

Im Park entsteht gerade das ‚Canadien Museum of Human Rights‘, ein riesiger sehr moderner Museumsbau, der kurz vor der Fertigstellung steht.

Er wurde vom amerikanischen Architekten Antoine Predock entworfen (das, für die Spezialisten) und mutet sehr futuristisch an.

Insgesamt fahren wir fünf Tage durch die endlosen, baumlosen Ebenen bis wir in Thunder Bay auf den ‚Lake Superior‘ stoßen.

In Wawa, einem kleinen Städtchen an der Strecke, halten wir für die Nacht und finden dort einen der kuriosesten ‚General Store’s auf unserer ganzen Reise.

Nicht nur, dass er alles hat, was man sich so denken kann, neben dem Laden steht auch noch eine schon 1960 angefertigte Kanadagans mit fast sechs Metern Höhe.

Die Konkurrenz vom Hotel gegenüber stellte sich die etwas kleinere Ausführung aufs Dach und ist für Dragster Rennteams immer ein gutes Fotoobjekt.

Die Prärie liegt nun hinter uns, doch bis Toronto sind es immer noch gut 1.300 km. Entlang der großen Seen geht es weiter bis in den nördlichen Vorort Richmond Hill, wo wir ein Wiedersehen mit Angela und Daryll feiern. Wir lernten uns am ersten Weihnachtsfeiertag in Quito, Ecuador kennen.

Zusammen verbringen wir ein Wochenende und fahren mit dem Auto zu den Niagara Fällen

und probieren in den Weinkellereien der ‚Niagara Peninsula‘ den Weißen des letzten Jahrgangs.

Muss sagen, der Riesling schmeckt sehr gut. Wir verbringen ein sehr schönes Wochenende bei den Beiden und sogar die Perla Negra II erhält die längst fällige Wäsche, denn der Schlamm von den Strassen nördlich des 60. Breitengrads fährt bisher immer noch mit.

Angela and Daryll: Thank you very much for your warm wellcome and a great weekend in your home. Wish you all the best. See you again some day.

Entlang des Lake Ontario fahren wir zum Ursprung des Sankt Lorenz Stroms. In Kingston treffen wir mit Gerhard, Hermine und Sabine zusammen.

Sie sind gerade auf dem Heimweg von einem Urlaub im Osten Kanadas. Wir treffen uns in der Kingston Brewing Company, einem urigen Bräu-Wirtshaus mit Mini-Biergärtchen vor dem Haus. Wir freuen uns, dass das Treffen geklappt hat und unterhalten uns prächtig.

In der Zwischenzeit hat sie die Alltag wieder und wir ziehen weiter nach Montréal, dem Tor zum französisch sprechenden Teil Kanadas.

Auf dem Weg dorthin machen wir einen kurzen Besuch bei Alain, den ich zusammen mit seiner Frau Francoise in der Nähe der Halbinsel Valdez im Süden von Argentinien getroffen habe.

Leider ist Francoise aus beruflichen Gründen verhindert. Wir werden herzlich empfangen und mit französischen Leckerbissen (von seiner Schwester) verwöhnt.

Alain: Thank you very much for your nice reception and for all the delicacies we had. Say hello to all the friends and relatives we met but first and foremost give our best wishes to Francoise.

Erst zum Abend kommen wir weiter und fahren nach Montréal, wo wir mitten in der Stadt Quartier machen.

Die Stadt nimmt uns vollkommen in Beschlag, denn es gibt so viel zu sehen, dass wir nur einige Schwerpunkte besuchen können.

Als ‚Fast-Münchner‘ interessiert uns natürlich das Olympia-Gelände. Dabei können wir auch hier mit dem Aufzug einen Olympiaturm erklimmen.

Anders, als unser Turm ist der hiesige 45° geneigt, an dem der Aufzug außen nach oben gleitet. Ein wunderbarer Blick über die Stadt erwartet uns oben und wir genießen ihn bei etwas diesiger Sicht aber sonnigem Wetter.

Die Altstadt von Montréal erinnert in Vielem an Städte aus dem Norden Frankreichs.

Wir fühlen uns natürlich fast wie zu Hause, wenn wir in den Gassen an den Straßen-Cafés und Restaurants vorbei schlendern.

Musikanten spielen in den Strassen und überall sind die Schilder natürlich nur in französisch geschrieben.

Hier sind wir nun am östlichsten Ort unserer Reise angekommen. Wir werden aus Kanada sehr freundlich verabschiedet. Ab hier geht es wieder in die USA und nach Süden. Was uns in den Adirondacks und auf den kleinen und kurvigen Strassen der Appalachen erwartet, wird es im nächsten Blog zu lesen und sehen geben.

4 Antworten auf „Ein langer Ritt“

  1. Hallo Ihr Beiden,
    so langsam geht Eure Traumreise ja zu Ende, es ist einfach faszinierend Eure Tour mitzuerleben und wir freuen uns schon auf den Reisevortrag.
    Nach 14 Tagen Süditalien, die wir auch als eine kleine Weltreise empfunden haben, können wir Euch nur bewundern, zu zweit auf dem Motorrad, mit wenig Gepäck, dem vielen Ein- und Auspacken, mit der fast täglichen Hotelsuche, so lange unterwegs zu sein.
    Wir wünschen Euch noch schöne Tage, grüßt die Elche von uns, falls Ihr noch ein paar sehen solltet,
    liebe Grüße
    Armin und Heidi

  2. Hallo Kathy und Paul,
    viele Grüße aus dem heißen München. Wie immer schöne Fotos, faszinierende Landschaften und es ist doch schön, wenn man Freunde trifft. Weiterhin viel Spaß und alles Gute auf Eurer Reise. Wir freuen uns schon, Euch wieder in Landshut zu sehen.
    Marianne und Erwin

  3. Hallo Ihr Weltenbummler,
    wie immer, ein toller Reisebericht mit grandiosen Fotos. Wir fahren
    quasi live mit Euch.
    Viele Grüße aus dem heißen LA
    senden Euch die Frührentner (seit 1.8.) Ute und Alfred
    Freuen uns, wenn Ihr wieder gesund hier seid.

  4. Hallo Kathi und Paul!
    Es ist immer spannend Eure Berichte zu lesen. Martin und ich waren für 8 Tage in den Pyrenäen, da können wir halt nicht mithalten. Aber langsam wird es Zeit auch wieder an die Heimreise zu denken.
    Liebe Grüsse von Georg und Elisabeth

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